Makkaroni, Marathoni! Mission Marathon Bremen 2011

Alles fing damit an: Soll ich… oder soll ich nicht? Trainiert hatte ich ordentlich dafür, aber die Diagnose meines Arztes: „Fraktur im medialen Tibialplateau mit breitem bone bruise – Stressfraktur Lauftraining“ ließ Zweifel aufkommen. Ich hatte mich auch noch nicht angemeldet, weil ich mir mir das nicht so ganz zugetraut habe (ich traue mir ja generell wenig zu)…. hab das auch alles für mich behalten. Ich hatte ja schon angedeutet, irgendwann einen Marathon laufen zu wollen, aber als die Knieprobleme anfingen, die Ergebnisse des MRTs doch erschreckend aussahen und alle (auch die Profis) außer meinem Orthopäden mir davon abrieten, kamen sie, die Gewissensbisse/Zeifel/Grübeleien in ihrer vollen Pracht: Soll ich, soll ich nicht, was wenn und wenn und wenn… Eigentlich wollte ich in Köln starten. Dazu war meine Entscheidung dann aber doch zu spontan, der Weg zu weit.

Strecke, Urkunde, Medaille

Nun gut, am Abend vor dem Marathon war ich immer noch unsicher, mein Ohrwurm dieses Tages und eigentlich auch der letzten Wochen: „Soll ichs wirklich machen oder lass ichs lieber sein… JEIN“. Vorsichtshalber aber doch schon Sachen zusammengesucht, mich mit Diabetes-Utensilien doppelt und dreifach abgesichert (so wie man mich kennt: Koffer dabei), Getränkeflaschen gefüllt und Hörbücher und Musik aufs iPhone geladen, mit dabei „Achilles Laufberater“ ;).

Nun, morgens am Tag des Marathons um 5:15 Uhr den Moppi (meinen Mann ;)) geweckt: Aufstehen, wir fahren jetzt nach Bremem“. Mhh… so entschlossen? Nun gut, begeistert schien er nicht. Wer steht schon gerne sonntags um fünf Uhr auf ;). Fix fertig gemacht, Sachen geschnappt, ab zum Bahnhof Hannover. 6:17 Uhr in den Zug nach Bremen gesprungen und ab gings. So und nun zu meinen Gedanken „Bist du eigentlich bescheuert? Das schaffst du doch trotz vielen Trainings eh nicht. Und dein Knie? Was soll das nur werden, …“ (meine pessimistischen Gedanken halt ;)). Nun gut, entschieden ist entschieden… oder? Immer diese Selbstzweifel. Nun zu den weiteren „Problemen“,  ja die gab es leider en masse – sonst wäre es ja auch langweilig geworden ;). Probleme in Anführungszeichen versteht sich ;):

1. „Problem“ – Träwelling wiss Deutsche Bahn: Der Zug musste zwischenzeitlich wegen einer Signalstörung eine knappe Stunde etwa 10 Minuten vorm Bremer Hauptbahnhof entfernt warten. Wisst ihr, wie ich geflucht habe? Ich bin völlig durchgedreht… völlig. So kennt mich wenn dann nur der Mopp. Hatte schon eine Stunde größzügig eingeplant, aber bei der DB reicht das scheinbar auch nicht aus. Die Akkreditierung/Nachmeldung war bis 8:45 Uhr möglich (eine Stunde vor Start des Marathons). Wisst ihr wann ich da war? 8:45 Uhr. Verdammt. Obwohl, perfekt getimed 😉 (so die Optimisten). Gut, dass mein Lauftrainingspartner, der in mein Schweigen des Projektes „Marathon“ neben Moppi auch noch involviert war, schon alles vorbereitet hatte (Danke Jens). Anmeldung musste auf die letzte Sekunde nur noch unterschrieben und Startnummer und Chip am Schuh befestigen werden. Das hat gerade noch so geklappt.

Die Kniebandage

Man kam ins Gespräch mit anderen Teilnehmern. Es fielen Sätze wie: „Heute werde ich nicht meine Bestzeit erreichen, viel zu heiß“.  Nun gut, mit der Hitze hatte ich kein Problem. Aber ich hatte mit anderem zu kämpfen ;D…

2. „Problem“ – „Ich muss mal“: Vorm Start marschierten alle noch mal zur Toilette, die Schlangen vor den Klos waren entsprechend lang. Schnell habe ich gemerkt, warum es nicht vorwärts geht. Die Putzdame vom Klo zog es vor, nach jedem einzelnen Toilettengang jede Toilette einer Großreinigung zu unterziehen. Vorbildlich, ja… aber nicht in der Hetze! So hatte ich das Glück, dass drei Damen gleichzeitig von der Toilette kamen und ich in eine offene Tür huschen konnte. Oh da war das Gebrüll los, ich sags euch: „WAS FÄLLT IHNEN EIN, RAUS DA!!! SIE DÜRFEN DA NICHT REIN, RAUS!!!“.  Unmöglicher Umgangston! Frechheit. Gut, dass ich meine Tür noch nicht hinter mir zugemacht hatte und im Normalfall immer gehorsam bin. Denn wie ich feststellen musste, hatte meine Idee auch eine andere Läuferin, allerdings zu Ende gebracht – sie war damit eingesperrt. Ja, wirklich! Die Türen waren so fixiert, dass Sie mit einem 10 cm breitem Spalt aufblieben, nur die Putzfrau konnte die Tür mit einem speziellen Schlüssel ordnungsgemäß zumachen und abriegeln. Man konnte also weder auf Toilette (es sei denn man hat gern Zuschauer dabei) noch kam man aus dem Klo-Schacht wieder heraus. Und wisst ihr was die freundliche Klodame zu der Läuferin meinte: Da haben sie nun selber Schuld! Jetzt müssen Sie warten, bis ich die anderen Toiletten gereinigt habe. Hallo? Da stand die Dame nun im Klo, eingesperrt! Saubere Klos, generell eine Seltenheit und ein Lob an die sauberkeitsliebende Putzdame. Aber bitte doch nicht 10 Minuten vor Startschuss! Nun gut, keine Klogeschichten heute.

3. „Problem“ – Kilometer 10, der Aufschrei meiner Insulinpumpe: „Batterie fast leer: bitte wechseln!“ Lustig, so was musste ja kommen. Na ja meistens hält die Batterie dann noch mindestens zwei Stunden bei Status „fast leer“.  Diesmal leider nicht… Nach weiteren 20 Minuten: „Batterie leer“. Immerhin schoss Adrenalin durch meinen Körper, was mich schneller werden ließ. Ich habe jeden der Marathonis neben mir und auch die Zuschauer gefragt, ob sie zufällig eine Batterie bei sich hätten. Panik machte sich breit. Aller versuchten mir irgendwie zu helfen. Leider gabs aber auch Kommentare wie „zufällig nicht“,  „Marathon ohne Walkman ist wohl nicht drin“ und „Was willst du denn damit?“. Diese machten die Sache nicht einfacher. Letztendlich kam jemand mit dem Fahrrad an mir vorbei (ich glaube es war ein „Nach-dem-Rechten-Gucker“), den ich mein Problem schilderte. Dieser radelte für mich sofort entlang der Marathon-Strecke in die nächste „Ortschaft“, um dort Hausanwohner nach Batterien zu fragen. Dort wartete er auf die Marathoni-Läuferbande und damit auch auf mich. Ein liebes Ehepaar stand dann mit ihm und einer Batterieauswahl zur Hand, wie ich sie noch nie gesehen hatte, am Straßenrand.  Damit war mein Problem gelöst. Ich habe sie alle in den Arm genommen und gesagt „so viel Zeit muss sein“.  Das war neben eines einzigen Toilettenganges auch mein einzige Zwischenstopp, ansonsten bin ich durchgehend gelaufen. Auch noch, als ab Kilometer 35 die meisten vom Trab zu Schritt wechselten.

Mission Marathon Bremen 2011, mit Diabetes im Gepäck.

4. „Problem“ – Der Mann mit dem Hammer: Ich habe Beine. Bis Kilometer 25, keine Probleme gehabt, nette Bekanntschaften gemacht, gestaunt wie schön Bremen ist, leider auch bemerkt, wie bergig… aber dennoch alles super. Und dann kam er, der Mann mit dem Hammer. AUA! Meine Beine schwer wie Blei. Mein Kopf leer und meinem Magen ging es gar nicht gut. Aber jetzt MUSST DU DA DURCH! Und dann kam auch schon bald der Höhepunkt: die Laufrunde durchs Weser-Stadion bei geiler Musik – alles war vergessen. Boah das motivierte. Der Lauf auf Kunstrasen entlastete unheimlich – na ja jetzt übertreib ich ;). Aber schon ein wahnsinniger Unterschied zum Lauf auf Beton.

5. „Problem“ – kein „Problem“, Blutzucker:  Dank meines CGMS hatte ich weder eine Unterzuckerung, noch zu hohe Werte zu verzeichnen. Ich startete den Lauf lediglich mit einem leicht erhöhten Wert von 220 mg/dl (das war Absicht, damit ich nicht so leicht abrutsche) und beendete ihn mit 190 mg/dl. Während des Laufs lagen meine Werte immer im Bereich von 120 mg/dl – 180 mg/dl. EIN TRAUM, DANK CGMS. Ich hatte meine Navigator fast den kompletten Lauf lang zur Hand und habe die Werte stetig beobachtet. Tendenzpfeile geben die Gradrichtung an, in die sich mein Blutzucker bewegt. Danach habe ich gehandelt. Tendenz nach unten, bedeutete essen (knappe 8 BE habe ich vertilgt), Tendenz nach oben, Basalrate erhöhen, ggf. Korrekturinulin abgeben (war allerdings zu keiner Zeit nötig). Ehrlich gesagt habe ich den ganzen Lauf mit meiner temporären Basalrate gespielt. Zeitweise (anfänglich) hatte ich sie auf 10%, die meiste Zeit auf 40% und nie höher als 60%. Vorauschauend immer an den Tendenzpfeilen und Werten orientierend. So hat das super geklappt. Aber darüber berichte ich auch noch genauer, an anderer Stelle, würde den Rahmen hier heute sprengen.

Im Ziel freute ich mich besonders darauf meinen Mann in die Arme zu schließen, den ich an dieser Stelle wieder so dankbar bin, dass er mich begleitet hat und meine Nervösität und Panikmache ausgehalten hat. Ich hätte mich nicht ertragen.

Insgesamt haben in Bremen beim ganzen Marathon nur 139 Frauen, aber 794 Männer teilgenommen. Mit 4:28:57h war ich 8te meiner Altersklasse. Keine Traumzeit, aber hey: „Ich habs gepackt“. Mission Marathon: erst mal abgehakt ;)… Heute war ich dann noch beim Orthopäden und was dieser zu meinem Knie meint, das glaubt ihr mir nicht… ;), darüber in Kürze mehr.

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